Definition nach Prof. Dr. F. Grehn

Glaukom oder der Grüne Star

Ursache

Das kongenitale Glaukom entsteht durch eine Entwicklungsstörung des Kammerwinkels. Der chronisch erhöhte Augeninnendruck führt typischerweise zu einer Hornhautvergrößerung und -trübung, zu einer Dilatation der Bulbuswand und Vergrößerung des Bulbus (deshalb „Buphthalmus” = Ochsenauge).

Epidemiologie

Der Manifestationszeitpunkt liegt meist im 1. Lebensjahr, zuweilen ist das Glaukom auch schon bei Geburt vorhanden. In 65-80 % der Fälle ist es beidseitig, allerdings meist unterschiedlich ausgeprägt. Häufigkeit:1 Fall auf 10 000- 18 000 Geburten. Das kongenitale Glaukom ist zwar selten, aber schwerwiegend, da es zur Erblindung kommen kann, wenn die Erkrankung nicht entdeckt wird. Geschlechtsverteilung: Knaben sind häufiger betroffen (Knaben : Mädchen = 3:2).

Symptome, Befunde

Die Kinder fallen durch „schöne große Augen“ auf. Dieses markante Zeichen, das schon bei Geburt vorhanden sein kann, wird durch die großen Hornhäute bei vergrößertem Bulbus hervorgerufen. Es bestehen Lichtscheu, Lidkrampf und vermehrter Tränenfluss. Folgende Befunde können auch ohne Narkose mit dem bloßen Auge oder mit der Handspaltlampe erhoben werden:

  1. Vergrößerung der Hornhaut bei vergrößertem Bulbus
  2. Hornhauttrübung. Durch den hohen Augeninnendruck kommt es zu einem Hornhautödem und so zu einer Trübung der Hornhaut, deren Intensität je nach aktuellem Augeninnendruck schwanken kann.
  3. Einrisse der Descemet-Membran. Sie entstehen, weil diese Schicht der Hornhaut nicht dehnbar ist und durch den erhöhten Augeninnendruck einreißt.
  4. Vermehrtes Tränen

Eine genauere Untersuchung zur Entscheidung über eine Operation kann nur in Narkose durchgeführt werden:

  1. Messung des horizontalen Hornhautdurchmessers
  2. Ultraschallmessung der Augapfellänge
  3. Ophthalmoskopie der Papille (Sehnervenkopf)
  4. Gonioskopie (Untersuchung des Kammerwinkels)
  5. Messung des Augeninnendrucks

Therapie

Ein erwiesenes kongenitales Glaukom ist eine absolute Operationsindikation. Medikamente sind nicht ausreichend und nicht dauerhaft wirksam. Heute wird meist eine Trabekulotomie oder Goniotomie ausgeführt. In etwa 80 % der Fälle lässt sich so der Augeninnendruck normalisieren.

Verlaufskontrollen

In der Regel müssen die oben genannten Befunde zunächst vierteljährlich kontrolliert werden, meist auch in Kurznarkose, bei gutem Verlauf später jährlich. Anders als beim Erwachsenen kann sich beim Kleinkind die glaukomatöse Papillenexkavation (Aushöhlung des Sehnervenkopfes) nach operativer Senkung des Augeninnendrucks wieder teilweise zurückbilden.

Nachbehandlung

Besonders wichtig ist es, eine Amblyopie (Sehschwäche durch Benachteiligung des erkrankten Auges, insbesondere bei einseitiger Erkrankung) zu verhüten. Hierzu muss wie bei Schielbehandlung das besser sehende Auge abgeklebt werden, um das schwächere Auge zu trainieren

Quelle: Prof. Dr. F. Grehn, Augenheilkunde, 29. Auflage, Copyright: Springer-Verlag Springer-Verlag, Heidelberg
 

 
 
Definition nach Dr. J. Flammer

Glaukom oder der Grüne Star

Traditionell wird das Glaukom nach der Ursache der Augendrucksteigerung eingeteilt. Der weitaus häufigste Grund für eine Drucksteigerung ist eine verminderte Abflussleichtigkeit des Kammerwassers, meistens in der Gegend des Kammerwinkels und des Trabekelwerkes. Die Störung des Kammerwasserabflusses wiederum hat verschiedene Ursachen, die hier im Kapitel 3 besprochen werden. Obwohl die Häufigkeit einer Augeninnendrucksteigerung mit zunehmendem Alter deutlich zunimmt, kann eine Drucksteigerung in jedem Lebensalter vorkommen. Ein erhöhter Augeninnendruck kann schon beim Neugeborenen vorhanden sein oder kurz nach der Geburt auftreten. Man spricht dann von einem angeborenen Glaukom. Tritt die Drucksteigerung in der Kindheit auf, sprechen wir von einem kindlichen Glaukom, tritt sie im jungen Erwachsenenalter auf, von einem juvenilen Glaukom.

Angeborenes Glaukom

Die betroffenen Kinder können bereits mit erhöhtem Augendruck auf die Welt kommen oder aber der Druck steigt in den ersten Lebenswochen an.
Die Ursache
Das angeborene Glaukom ist eine seltene Glaukomform. Es sind meist beide Augen betroffen, aber häufig nicht gleich stark. Knaben sind etwas häufiger befallen als Mädchen. Das angeborene Glaukom wird gelegentlich von den Eltern vererbt. Die entsprechenden Gene und die dafür verantwortlichen Mutationen werden zur Zeit gesucht und sind teilweise auch bereits beschrieben. Es gibt aber auch sporadische Fälle, d.h. Kinder mit einem angeborenen Glaukom, das sie nicht von ihren Eltern geerbt haben. Zur Augeninnendrucksteigerung kommt es aufgrund einer ungenügenden Reifung des Kammerwinkels bzw. des Trabekelwerkes während der Schwangerschaft. Diese Kinder haben einen gestörten Kammerwasserabfluss. Da die Produktion des Kammerwassers aber trotzdem normal funktioniert, steigt der Augeninnendruck an. In Abbildung 3.1 sehen Sie einen normalen, in Abbildung 3.2 einen unvollständig ausgereiften Kammerwinkel. Das Trabekelmaschenwerk hat sich nicht voll ausgebildet und ist auch nicht genügend freigelegt.

Flammer 3.1 Flammer 3.2
Abb.3.1 Kammerwinkel                                                                     Abb.3.2 Kammerwinkel

                                                                                                                                   
Folgen der frühkindlichen Drucksteigerung
Je nach Höhe des Augeninnendruckes kommt es über Wochen und Monate, eventuell auch über Jahre, zu einer Schädigung des Sehnerven. Dies ist grundsätzlich ähnlich wie beim Glaukom des Erwachsenen. Neben der Sehnervenschädigung kommt es beim Säugling wegen der noch bestehenden Dehnbarkeit des Gewebes auch zu einer Vergrösserung des Auges (Abb. 3.3). Alle Anteile der Augenhülle, vor allem Lederhaut und Hornhaut, weiten sich aus. Dies führt zu den grossen Augen dieser Kinder. Bestimmte Schichten der Hornhaut lassen sich weniger leicht dehnen, dort entstehen feine Risse. Diese wiederum führen zu einer leichten bis mässigen Trübung der Hornhaut (Abb.3.4). Diese Trübung bildet sich nach einer Augendrucksenkung teilweise wieder zurück. Kinder mit einem angeborenen Glaukom können sehbehindert werden, und zwar durch die Schädigung des Sehnervenkopfes und/oder durch die Hornhauttrübung. Wie bereits erwähnt, sind Auge, Sehnerv und bestimmte Gehirnteile am Sehvorgang beteiligt. Dieses visuelle System ist bei der Geburt noch nicht vollständig entwickelt. Voraussetzung für die innerhalb der ersten Lebensjahre ablaufende Ausreifung ist ein normales beidäugiges Sehen. Wird ein Auge in der Kindheit am Sehen gehindert (z.B. durch einseitige Linsentrübung), ist die Reifung des Sehapparates auf dieser Seite bedroht. Ohne entsprechende Behandlung kann es zu einer entwicklungsbedingten Sehschwäche (= Amblyopie) kommen. Eine Amblyopie kann nur in der Kindheit und nicht mehr im Erwachsenenalter korrigiert werden [amblys gri stumpf/opsein gri sehen]. Aus diesem Grunde ist es wichtig, dass den kleinen Glaukompatienten möglichst schnell ein normales beidäugiges Sehen ermöglicht wird.

 Flammer 3.3  Flammer 3.4
Abb.3.                                                                                                        Abb.3.4

                                                                                          
Diagnose des angeborenen Glaukoms
Zum Glück ist das angeborene Glaukom sehr selten, etwa eines von zehntausend Neugeborenen ist betroffen. Die Früherkennung ist bei dieser Krankheit äusserst wichtig, da den Kindern bei rechtzeitiger Diagnosestellung geholfen werden kann.
Gibt es Zeichen und bestimmte Symptome, die den Verdacht auf ein angeborenes Glaukom nahelegen?
Im Vordergrund stehen die zu grossen Augen; oft tränen diese Augen und die Kinder zeigen erhöhte Lichtempfindlichkeit mit entsprechendem Augenkneifen. Nicht selten reiben sich die Kinder auch mit den Händen in den Augen.
Wie wird die Diagnose gestellt?
Die Untersuchung von Neugeborenen und Kleinkindern ist etwas schwieriger als die beim Erwachsenen. Besteht ein Glaukomverdacht, ist eine exakte Beurteilung in Narkose notwendig. Nur so kann der Augendruck ohne Belastung für das Kind und auch ohne störendes Augenkneifen gemessen werden (das Kneifen erhöht nämlich kurzfristig den Augendruck). Zudem ist in Narkose eine Untersuchung aller Augenabschnitte, insbesondere auch die Beurteilung des Sehnervenkopfes, möglich.


Therapie des angeborenen Glaukoms
Die Therapie richtet sich nach dem Schweregrad des Krankheitsbildes. In einfachen Fällen kann zunächst mit drucksenkenden Augentropfen begonnen werden. Meist ist aber,
vor allem in schweren Fällen, eine drucksenkende Operation notwendig; sowohl den Zeitpunkt als auch die Operationsart legt der behandelnde Augenarzt, bzw. der entsprechende Operateur fest. Es gibt verschiedene Operationstechniken. Abb. 3.5 zeigt eine Trabekulotomie, Abb. 3.6 eine sogenannte Goniotomie. Möglich ist auch eine Trabekulektomie, welche wir bei den Operationen des Erwachsenen besprechen und zeigen werden. Ziel aller Techniken ist es, den Kammerwasserabfluss zu verbessern und damit den Augeninnendruck zu senken. Da der Augeninnendruck trotz gelungener Operation jederzeit wieder ansteigen kann, sind engmaschige Kontrollen durch den Augenarzt notwendig. Bei einem erneuten Druckanstieg muss eine medikamentöse Therapie eingeleitet oder die Operation wiederholt werden. Mehrfache Wiederholungen der Operation sind möglich und leider manchmal notwendig. Mit dem angeborenen Glaukom können andere Fehlbildungen des Auges oder des übrigen Körpers kombiniert sein. Wir sprechen dann von sogenannten Syndromen (z.B. Axenfeld-Rieger Syndrom, Peter'ssche Anomalie, Aniridie, Neurofibromatose, etc.). Das bedeutet konkret, dass bei einem Kind mit einem angeborenen Glaukom immer auch nach anderen Erkrankungen bzw. Fehlbildungen gefahndet werden muss. Umgekehrt aber muss man bei Kindern mit den entsprechenden Fehlbildungen immer auch den Augendruck überprüfen, um ein eventuelles Glaukom frühzeitig zu erkennen bzw. auszuschliessen.

 Flammer 3.5  Flammer 3.6
 Abb.3.5                                                                                       Abb.3.6

        

Kindliches Glaukom

Beim kindlichen Glaukom handelt sich im weitesten Sinne auch um ein angeborenes Glaukom. Da der Augendruck aber etwas später, eben erst im Laufe der ersten Lebensjahre ansteigt, spricht man von einem kindlichen Glaukom. Die Ursache der Drucksteigerung ist grundsätzlich ähnlich wie beim angeborenen Glaukom, die Kammerwinkelbucht ist aber besser ausgereift, weshalb die Drucksteigerung später stattfindet. Durch die teilweise Reifung des Abfluss-Systems kann der Augeninnendruck in den ersten Lebensjahren noch normal sein. Im Verlaufe der Kindheit steigt dann der Druck langsam an.


Diagnose des kindlichen Glaukoms
Die klassischen Zeichen des angeborenen Glaukoms fehlen. Das heisst, die Augen sind nicht vergrössert und Symptome wie Tränen, Blenden, Hornhauttrübung, etc. fehlen. Gelegentlich wird dieses Glaukom im Rahmen einer Reihenuntersuchung entdeckt. Manchmal lassen die Eltern ihr Kind auch frühzeitig untersuchen, weil in ihrer Familie bereits Glaukome bekannt sind. Bei anderen Kindern manifestiert sich das Glaukom in Form von Sehstörungen oder Schielen. In diesen Fällen liegt meist bereits ein deutlicher Glaukomschaden vor. Dies weist mit aller Deutlichkeit darauf hin, dass Sehstörungen (inklusive Schielen) bei Kindern immer einer sorgfältigen Abklärung durch den Augenarzt bedürfen. Die in der Kindheit auftretende Glaukomform wird übrigens häufig vererbt.


Folgen der kindlichen Augendrucksteigerung
Grundsätzlich haben wir die gleichen Folgen wie beim Erwachsenenglaukom. Es kommt zur Papillenexkavation und zu Gesichtsfeldstörungen. Da die Kinder sonst meistens gesund sind und insbesondere die Blutzirkulation meist gut ist, haben sie nach Normalisierung des Augendruckes oft eine sehr gute Prognose. Aus diesem Grunde ist es wichtig, dieses Glaukom frühzeitig zu diagnostizieren und zu behandeln.


Therapie des kindlichen Glaukoms
Die Behandlung ist nicht grundsätzlich anders als bei anderen Glaukomformen. Wenn eine medikamentöse Therapie den Druck nicht genügend senkt, kommt eine Laserbehandlung in Frage. Da die Kammerwinkelbucht nicht völlig ausgereift ist, kann man sie gelegentlich durch eine sogenannte Lasergoniotomie eröffnen. Der Effekt ist ähnlich wie bei der Goniotomie der angeborenen Glaukome. Wenn auch die Laserbehandlung nicht zum Ziel führt, d.h. der Augendruck immer noch erhöht ist und/oder bereits Schäden vorliegen, sollte sobald wie möglich operiert werden. Über die Operationsmethode wird der Operateur entscheiden. Auch nach einer gelungenen Operation kann es jederzeit zu einer erneuten Augeninnendrucksteigerung kommen, daher bedarf es weiterhin der regelmässigen augenärztlichen Kontrolle.

Juveniles Glaukom

Tritt die Drucksteigerung erst beim älteren Kind oder beim jungen Erwachsenen auf, spricht man von einem juvenilen Glaukom [juvenilis lat jugendlich]. Es wird relativ häufig vererbt. Bei intensivem Suchen findet man meist diskrete Hinweise auf eine Kammerwinkelreifungsstörung. Aus diesem Grund wird therapeutisch gelegentlich eine Lasergoniotomie durchgeführt. Im übrigen aber gleicht das juvenile Glaukom im Erscheinungsbild und in der Therapie dem chronischen Offenwinkelglaukom und wird deshalb hier nicht weiter besprochen. Abschliessend sei noch daraufhin gewiesen, dass beim Kind auch andere Glaukomformen vorkommen können, wie z.B. ein Sekundärglaukom (nach Entzündungen oder Unfällen, etc.). Da sich diese Glaukomformen aber nicht grundsätzlich von denen des Erwachsenen unterscheiden, verzichten wir hier auf eine weitere Besprechung.


Quelle: Glaukom - Ein Handbuch für Betroffene,... von Prof. Dr. Josef Flammer, Kapitel 3
Vielen Dank an Prof. Dr. Flammer für die Zustimmung zur Veröffentlichung auf dieser Seite. Besonderer Dank gilt Frau Hauenstein für die nette Zusammenarbeit!

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