Glaukom oder Grüner Star bezeichnet eine Reihe von Augenerkrankungen, bei denen der Sehnerv geschädigt wird. Es ist nicht zu verwechseln mit dem Grauen Star (Katarakt), bei dem es sich um eine Erkrankung (Trübung) der Linse handelt.

Auf dieser Seite bieten wir Ihnen ein Video, das das Glaukom in kindgerechter Sprache erklärt und den Mitschnitt unserer virtuellen Patientenveranstaltung zu den Besonderheiten des Glaukoms bei Kindern.

Ferner finden Sie hier eine systematische Erläuterung zu Krankheitsbild, Symptomen, Diagnose und Therapiemöglichkeiten.

Video: Glaukom kindgerecht erklärt

Video: Glaukom im Kindesalter - Besonderheiten bei Diagnose, Verlauf und Therapie

Kindliche Glaukome
(von Prof. Dr. med. Niklas Plange)

Definition und Einleitung

Das Glaukom des Erwachsenen ist eine der weltweit häufigsten Erblindungsursachen. Der individuell zu hohe Augeninnendruck schädigt als chronische Erkrankung die Nervenfasern und damit den Sehnerven. Dies führt zu einem fortschreitenden Schaden im Gesichtsfeld bis hin zur Erblindung.

Das kindliche Glaukom ist hingegen eine seltene Erkrankung, die ein- oder beidseitig auftreten kann. Grundsätzlich wird das primär kongenitale (angeborene) Glaukom von sekundären Glaukomen im Kindesalter unterschieden, die mit einer anderen Erkrankung zusammenhängen. Die Begriffe kongenital (angeboren), kindlich und juvenil (im Jugendalter) bezeichnen nur das zeitliche Auftreten der Erkrankung, ohne die Ursache der kindlichen Glaukomerkrankung zu beschreiben.

Kürzlich hat ein weltweites Expertengremium eine aktualisierte Einteilung der kindlichen Glaukome veröffentlicht. Hierbei wird das primär angeborene Glaukom abgegrenzt von den kindlichen Glaukomen nach erfolgter Kataraktchirurgie im Kindesalter (kindlicher grauer Star=Linsentrübung). Des Weiteren gibt es kindliche Glaukome bei körperlichen oder nur auf das Auge bezogenen Fehlbildungen. Schließlich kann sich ein kindliches Glaukom bei erworbenen Erkrankungen wie bei chronischer Aderhautentzündung (Uveitis) oder beispielsweise nach Unfällen entwickeln. Zuletzt wird das juvenile Offenwinkelglaukom beschrieben, welches einem im Jugendalter aufgetretenem Glaukom ohne weitere Fehlbildungen oder Grunderkrankungen entspricht.

Sekundäre kindliche Glaukome

Das angeborene Glaukom ist typischerweise gekennzeichnet durch einen erhöhten Augendruck bereits bei der Geburt. Die Erkrankung ist selten, man kann die Häufigkeit auf etwa 100 Neuerkrankungen pro Jahr in Deutschland schätzen. Es handelt sich um eine Erkrankung, die auf eine Fehlentwicklung des Trabekelwerks zurückgeht. Es wurden membranartige Strukturen (sog. Barkan-Membran) beschrieben, die dieses Maschenwerk im Kammerwinkel verlegen und damit zu einem reduzierten Kammerwasserabfluss führen. Die Folge ist ein Augendruckanstieg. Da die kleinkindlichen Gewebsstrukturen am Auge noch elastisch sind, führt der hohe Augendruck zu einer Vergrößerung des Auges, dem sog. Buphthalmus (Stierauge). Das angeborene Glaukom ist trotz seiner Seltenheit für etwa 5% der kindlichen Erblindungen verantwortlich. Das angeborene Glaukom meist eine sporadisch auftretende Erkrankung ohne familiäre Häufung (rezessive Vererbung). Im Gegensatz hierzu sind die kindlichen Glaukome bei weiteren Fehlbildungen oder syndromalen Erkrankungen häufig dominant vererbt.

Das Leitsymptom des angeborenen Glaukoms ist die Vergrößerung des Augapfels durch den hohen Augendruck. Wenn die Erkrankung an beiden Augen auftritt, kann dies Anfangs als „schöne große Augen“ fehlinterpretiert werden. Durch die Dehnung des Auges kommt es zu Hornhauttrübungen (glanzlose Augen) und zu einer Zunahme der Kurzsichtigkeit. Die Kinder zeigen zudem eine Lichtscheu und vermehrtes Tränen, sowie ein häufiges Zukneifen der Lider.

Die Verschlechterung der Sehfunktion tritt bei Kindern mit Glaukom einerseits durch die Schädigung des Sehnervs bei erhöhtem Augendruck auf, andererseits besteht ein großes Risiko einer Amblyopieentwicklung. Die Amblyopie bezeichnet eine Schwachsichtigkeit, die durch einen fehlenden Lernprozess des Sehens erfolgt. Bei der Geburt können kleine Babys nur schemenhafte Strukturen wahrnehmen, durch die visuellen Sinnesreize wird das Auge mit dem Gehirn verknüpft. Kommt es nun zu einem Fehlen von Sinnesanreizen (durch die Hornhauttrübung oder die hohe Kurzsichtigkeit oder bei einem deutlichen Unterschied zwischen beiden Augen) können sich die Nervenverbindungen nicht ausbilden. Folge ist, dass das Auge auch später schlecht sieht, obwohl es vielleicht - rein organisch betrachtet - dazu in der Lage wäre.

Das kindliche Glaukom

Neben dem primären angeborenen Glaukom gibt es beim Kind Augendruckerhöhungen, die wegen anderer Erkrankungen am Auge auftreten. Eine besondere Bedeutung hat hierbei die Gruppe der Glaukome nach Kataraktoperation. Wenn bei Kindern eine Linsentrübung auftritt, muss diese zügig operativ entfernt werden, damit sich keine Amblyopie (Schwachsichtigkeit) entwickelt. Warum diese Kinder manchmal nach Jahren häufig schwer beherrschbare Druckerhöhungen entwickeln, ist bisher unklar.

Grundsätzlich ist die Therapie beim Vorliegen von Fehlbildungen komplizierter und die Prognose der Sehentwicklung schlechter.

Diagnose der kindlichen Glaukome

Die notwendigen Untersuchungen richten sich vor allem nach dem Alter der kleinen Patienten. Prinzipiell ist eine allgemeine Untersuchung der Augen notwendig (mit Kammerwinkeluntersuchung), eine Augendruckmessung, die Untersuchung des Sehnervs und eine Gesichtsfelduntersuchung. Zusätzlich muss die Brechkraft das Auges bestimmt werden um eine Zunahme der Kurzsichtigkeit als Zeichen der Vergrößerung des Auges zu erkennen. Daneben muss jedes Kind eine ausführliche kinderärztliche Untersuchung erfahren, um weitere Grunderkrankungen oder Fehlbildungen zu diagnostizieren oder auszuschließen.

Sofern die Untersuchungen am wachen Kind nicht erfolgen können, muss eine Narkoseuntersuchung erfolgen. Dies setzt insbesondere bei Neugeborenen und Kleinkindern eine entsprechende kinderintensivmedizinische Abteilung voraus. Bei Glaukomverdacht müssen die Untersuchungen gegebenenfalls wiederholt werden, auch im Rahmen einer erneuten Narkoseuntersuchung. Bei dringendem Verdacht auf ein angeborenes Glaukom erfolgt diese in der Regel in Operationsbereitschaft. Dies bedeutet, dass alle notwendigen operativen Eingriffe am Ort erfolgen können.

Die typischen Befunde am Auge beim angeborenen Glaukom sind

  • Erhöhter Augendruck >21mmHg
  • Zunahme der Kurzsichtigkeit durch Vergrößerung des Auges
  • Hornhauttrübungen und Hornhautdurchmesser >11mm bei Neugeborenen
  • Sehnervenschädigung mit vergrößerter Exkavation (Aushöhlung des Sehnervs)

In früheren Jahren waren zahlreiche Narkoseuntersuchungen notwendig, damit die Augendruckmessungen auch nach Operationen bzw. als Kontrollen erfolgen konnten. Inzwischen gibt es neue Technologien zur Druckmessung (zB sog. Reboundtonometrie, ICare Tonometer®), die zumindest in vielen Fällen auch eine Druckmessung beim wachen Kleinkind ermöglichen.

Von besonderer Bedeutung ist eine enge Anbindung an eine an eine orthoptische Abteilung (Sehschule) um die Sehentwicklung und die Veränderung der Brechkraft der Augen zu überprüfen und entsprechend zu korrigieren.

Bei älteren Kindern und Jugendlichen kommen zusätzlich die neu etablierten bildgebenden Verfahren zum Einsatz wie die optische Kohärenztomographie (OCT) oder die konfokale Scanning Laser Ophthalmoskopie (Heidelberg Retina Tomograph®). Hierbei ist jedoch zu beachten, dass spezielle Vergleichsdatenbanken für Kinder fehlen. Zudem ist die Augendruckmessung bei Kindern eine Herausforderung, da durch Kneifen häufiger falsch hohe Augendruckwerte gemessen werden. Der korrekten Interpretation der Befunde durch den Augenarzt kommt hierbei eine besondere Bedeutung zu.

Therapie der kindlichen Glaukome

Die Therapie des angeborenen Glaukoms ist primär operativ. Ziel ist es, das veränderte Trabekelwerk zu eröffnen, um den Abfluss des Kammerwassers zu ermöglichen. Dies erfolgt klassischerweise mit der Trabekulotomie. Bei der Trabekulotomie wird der sogenannte Schlemm’sche Kanal mit einer zarten Metallsonde aufgesucht und das Trabekelwerk zum Augeninneren hin eingerissen. In den letzten Jahren setzt sich zunehmend die 360° Trabekulotomie mit einer speziellen, beleuchteten Sonde durch. Hierbei wird das Trabekelwerk über den gesamten Kammerwinkelbereich eröffnet.

Wenn sich durch diese Operation der Augendruck nicht senken lässt kommen weitere operative Verfahren zum Einsatz wie die Trabekulektomie (als klassische Glaukomoperation) oder drucksenkende Eingriffe mit Implantaten. Diese haben beim Kind jedoch ein hohes Vernarbungsrisiko, dies kann zu einem Versagen der Operation führen. Eine weitere Alternative ist die Verödung des kammerwasserproduzierenden Ziliarkörpers (Cyclophotokoagulation).

Die Erfolgswahrscheinlichkeit ist bei der ersten Operation am höchsten und wird geringer, wenn weitere Nachoperationen notwendig sind. Insgesamt geht man davon aus, dass bei etwa ¾ der kleinen Patienten der Augendruck auch nach 10 Jahren reguliert ist, wieviel Eingriffe auch immer notwendig waren.

Wenn die drucksenkende Operation nicht ausreicht, ist es möglich einen zusätzlichen Effekt mit drucksenkenden Augentropfen zu erreichen. Einzig zugelassen bei Kleinkindern sind die Prostaglandinpräparate Latanoprost und Travoprost, wobei der drucksenkende Effekt geringer sein kann als beim Erwachsenen. Der seit langem eingesetzte Betablocker Timolol sollte bei Kleinkindern in speziellen niedrigen Dosierungen eingesetzt werden, und erst nach dem Ausschluss von Herz- oder Lungenerkrankungen durch den Kinderarzt. Carboanhydrasehemmstoffe (Dorzolamid, Brinzolamid) stehen im Verdacht das Hornhautendothel zu schädigen und sollten zurückhaltend eingesetzt werden. Streng kontraindiziert ist der Wirkstoff Brimonidin, der zu schweren Atmungsstörungen führen kann. Pilokarpin wird bei Kindern ebenfalls nur in Ausnahmefällen angewendet.

Ein bedeutender Therapiebaustein ist die Behandlung des Refraktionsfehlers (Brille) und der Amblyopie (Schwachsichtigkeit). Im Rahmen einer engen Anbindung an eine Abteilung für Orthoptik/Sehschule müssen regelmäßig die Brillenwerte und die Sehfunktion überprüft werden. Die Amblyopie wird je nach Befund mit einer Okklusionstherapie behandelt. Hier wird das bessere Auge mit einem Pflaster abgeklebt um das schwächere Auge zu stärken.

 Wenn ein sekundäres kindliches Glaukom vorliegt, dh eine andere Grunderkrankung gefunden wurde, richtet sich die Behandlung auch nach der jeweiligen Ursache oder Begleiterkrankung. Die Therapie ist häufig komplex und bedarf einer intensiven Betreuung sowie individueller Behandlungsansätze.

Zusätzlich zur medizinischen Behandlung ist eine Frühförderung der kleinen Patienten notwendig um eine möglichst optimale Entwicklung der Kinder zu ermöglichen. Der Bundesverband Glaukom-Selbsthilfe ist hierbei wichtiger Ansprechpartner, der den Eltern und Familien wichtige Informationen und Hilfestellungen bietet.

Zusammenfassung

Die Behandlung der kindlichen Glaukome ist meist kompliziert und nach wie vor eine Herausforderung. Es bedarf einer intensiven Betreuung der kleinen und jugendlichen Patienten. Diese intensive Behandlung stellt für die Kinder wie auch für die Eltern und die Familie eine massive Belastung dar.

Neben der Normalisierung des Augendruckes ist die Behandlung der Amblyopie von zentraler Bedeutung. Die Behandlung der Kinder erfordert eine enge Zusammenarbeit von Glaukomchirurgen,  konservativen Augenärzten, Sehschulen und Kinderärzten. Den Eltern und Geschwistern sollte zudem wegen der erheblichen Belastung eine psychologische Betreuung angeboten oder ermöglicht werden.

Die Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft arbeitet derzeit an einem Register für kindliche Glaukome um die Versorgung der kleinen Patienten zu erfassen und langfristig zu verbessern.

Kind mit einseitigem Glaukom. Auffällig ist das große Auge rechts mit größerem Hornhautdurchmesser. Am rechten Auge liegt eine Hornhauttrübung als Folge des hohen Augendrucks vor.

Zum Autor

Prof. Dr. med. Niklas Plange absolvierte nach dem Studium für Humanmedizin an der RWTH Aachen seine Facharztausbildung für Augenheilkunde an der Augenklinik der Uniklinik Aachen.

Es erfolgten zahlreiche Publikationen zum Forschungsschwerpunkt  der  vaskulären Pathogenese, Diagnostik und operativen Therapie des Glaukoms. Die klinische und operative  Tätigkeit umfasste seit 2008 als Oberarzt die Erkrankungen der vorderen Augenabschnitte mit Schwerpunkt der Glaukome, ab 2016 als leitender Oberarzt. Seit 2018 selbstständig als Partner im Augenzentrum am Annapark in Alsdorf und Konsiliaroberarzt an der Augenklinik der Uniklinik Aachen.

Dieser Artikel erschien erstmals in Ausgabe 8 (Sommer 2019) unserer Mitgliederzeitschrift mmHg